Schweden – Schären – 6. bis 20. August 2022
Segeltörn Baltische See, August 2022
Großartige Buchten, vielfältige Ankerplätze, köstliches Essen, abwechslungsreicher Segeltörn
Das heurige Jahr steht bei mir ganz im Zeichen „nachholen, nachholen, nachholen“ und so oft wie möglich unterwegs zu sein. Nach Norwegen und Spitzbergen im Juni unternahm ich deshalb im August einen interessanten Segeltörn in der Baltischen See. Diesmal auf einem mit viel Holz getäfelten 55 Fuß großen Boot. Sehr schick. Sehr viel Platz. Ausgangspunkt war die von Stockholm aus leicht erreichbare, kleine Marina LIDINGÖ, wo unsere Segelyacht für einen zweiwöchigen Schären-Trip auf uns wartete. RAWA, eine Bavaria, Jahrgang 2011, übertraf mit ihren 16,75 Metern alle anderen Boote und wir freuten uns schon auf den geräumigen Platzbedarf. Nach der üblichen Besprechung mit dem Vercharterer bzw. Eigner wurde die technische Ausstattung begutachtet, die Schwimmwesten verteilt, der erste große Einkauf getätigt und im Boot verstaut. Die Abendsonne war noch warm, ein Spaziergang zur nächsten Marina war obligat und wir kehrten beim entzückenden Restaurant Bryggen am Meer ein. Moules frites und ein Chablis vervollkommneten den ersten Abend.
Die Schären
Von Stockholm aus war unser Ziel der Schärengarten östlich von Schwedens Hauptstadt oder besser gesagt einige Inseln der drei Schärengärten Gryt und Tjust, St. Anna und Arkösund mit rund 24.000 Inseln. Enorm spannende Tage mit unterschiedlichen Ankerplätzen standen uns bevor. Nach einem regen Schiffsverkehr noch in Stockholms Nähe und der Vorbeifahrt an der Festung Vaxholm erreichten wir am Nachmittag GÄLLNÖ. Wir ankerten in einer schönen Bucht, erprobten die Wassertemperatur und genossen einen prima Salat mit Huhn und dem wohlverdienten Gin Tonic. Typischer als Gällnö hätte ich mir Schweden nicht vorstellen können: idyllisch, eingerahmt von einem Schilfgürtel, Wiesen und tiefgrünem Weideland, 30 Einwohner, ein Café plus Shop, welches nur bis Mitte August geöffnet ist.
Jede Bucht, jeder Ankerplatz hat etwas Besonderes und man ist bestrebt auch die Umgebung zu erkunden. Wozu gibt es ein Beiboot, wenn kein Ausflug unternommen wird. Das ist das spannende an einem gut geplanten, an Land und Besonderheiten interessierten Törn und somit führte uns die erste Dhingi Fahrt zum örtlichen Kaffeehaus und einem leckeren Himbeerkuchen.
Gestärkt lichteten wir den Anker und machten Fahrt zu den äußeren Schären. Es wurde ein besonders ereignisreicher Tag für mich, war ich doch Rudergänger und steuerte vom Ankerplatz weg das Boot etwa 18 Seemeilen zu den Äußeren Schären. Viele kleine Untiefen mussten passiert werden, was in den Schären normal, aber ansonsten unüblich ist. Obwohl die Tiefe streckenweise bis zu 105 m anzeigte, mussten Stellen mit nur 1,7 m ausgewichen werden. Exaktes Navigieren ist in diesem Gebiet essenziell.
Das angepeilte Tagesziel war eine wunderschöne Bucht in STORA NASSA SKÄRGARD (59° 25´53´´N, 19°11´25´´E, nahe Stora Sprängskär), einem Naturschutzgebiet mit rund 400 eher kargen, kleinen Inseln und Felsen, mit einer engen Einfahrt und einigen Booten, die wie in Schweden üblich mit dem Bug am Felsenrand festgemacht waren. Praktischerweise kann von Bord aus aufs Land gestiegen (oder gesprungen) werden.
War die Abendstimmung schon großartig, zeigte sich der Morgen mit spiegelglattem Wasser, in dem sich die Landerhebungen im Wasser abzeichneten. Eine grandiose Stimmung legte sich über die Bucht, wo wir am liebsten länger verweilt hätten. So blieb nur eine kurze Erkundungsfahrt mit dem Dhingi und einer Besteigung umliegender Felsen.
Nicht unbedingt auf unserer ursprünglich geplanten Wegstrecke befand sich Sandhamn auf der Insel Sandön der Gemeinde Värmdö. Sandhamn ist ein lebendiger Ort, Austragungsort für Segelregatten des KSSS, der Königlich Schwedischen Segelgesellschaft (Kungliga Svenska Segelsällskapet) und Mittelpunkt der Serie „Mord im Mittsommer“, basierend auf den Romanen von Viveca Sten. Nicht nur das bekannte Seglarhotell war gut sichtbar, auch das gesamte Hafengebiet gab den Eindruck der TV-Serie wieder.
Vielfältige Ankerplätze
Jeder Tag bescherte uns nicht nur einen neuen, sondern auch einen optisch bzw. seemännisch mehr oder weniger herausfordernden Ankerplatz. Vorbei an verschiedenen Inseln wie NÄMDÖ peilten wir das Gebiet um Dalarö an, ankerten mit anderen Booten und erfreuten uns an einem köstlichen Lunch in Kymmendös Café mit dem launigen Namen „Carlssons Bakficka“. So schön diese Bucht auch war, so tückisch war sie auch. Ein kleiner Felsen lugte sichtbar aus dem Wasser hervor, auf dem sich einige Vögel vergnügten, während weitere Felsenbrocken unterhalb der Wasserlinie lauerten, welche einem Motorboot-Fahrer zum Verhängnis wurden.
Nach einem herrlichen Segeltag in nordwestlicher Richtung vorbei an Runmarö, Harö, Norrtälje-Blidö war ein Ankerplatz auf der Insel RODLÖGA unser nächstes Ziel. Mit unserer großen Yacht war die Mitte der Bucht die absolut beste Wahl, von der wir einen großartigen Blick auf die Umgebung (sehr malerisch: rotgestrichene Holzhäuser mit weißen Fenstern) und andere Boote hatten. Ein Hafenkino vom Feinsten.
Leider waren Stockholms Schären vorerst beendet und wir machten und auf den Weg zu den Åland Inseln. Es war uns ein langer Schlag angekündigt, Tagesbeginn war demgemäß bei Sonnenaufgang um 4.56 Uhr. Die Belohnung: ein wunderschöner Sonnenaufgang auf See, starker Wind und prachtvolles Wetter bei der Anfahrt in den Hafen von Mariehamn.
Ein Sommer wie damals
MARIEHAMN ist ein hübsches Hafenstädtchen mit zwei Marinas, netten Restaurants, freundlichen Einheimischen, einem pittoresken Stadtkern, supersüßen Cafés und Läden. Auch der Supermarkt bietet enorme Möglichkeiten, um die bestehenden Vorräte an Bord noch zu erweitern. Das Abendessen im Marina Restaurant ÅSS Paviljongen mit Barsch und Codfisch ergänzte einen weiteren großartigen Tag.
Die Åland Inseln in der nördlichen Ostsee des Bottnischen Meerbusens zwischen Schweden und dem finnischen Festland sind politisch weitgehend autonom. Die Gesteinsformationen sind Gneis, meist Granite, oft Rundhöckerlandschaften, rauh und karg. Spannend dabei, dass die Inseln bei der letzten Eiszeit noch vollständig unter Wasser waren und sie sich seit 13.000 Jahren Millimeter für Millimeter aus dem Wasser erheben. Der pflanzliche Bewuchs besteht aus Tannen- und Fichtenarten sowie Laubbäume. Die Inseln bzw. die Ankerplätze sind dünn besiedelt. Manche Gegenden und Gebäude erinnern an früher. Campingplätze sind damals wie heute beliebt. Man erfreut sich der Ruhe und am nostalgischen Charme. Sehr interessant und ausführlich präsentieren sich die örtlichen Museen mit Historie, Fischfang und Tierkunde.
Der nächste Tag mit ausgezeichnetem Wind führte uns von Mariehamn nur 10 nautische Meilen entfernt zum idyllischen Hafen RÖDHAMN auf der Insel LÄNGÖ, der gut geschützt ist gegen West- und Südwinde. Zum zweiten Mal legten wir bei einer Mooringboje an. Unsere Yacht stets mit dem Heck an den Steg, während die skandinavischen Boote mit dem Bug voran anlegen, um von dort an den Steg zu gelangen. Über glatte Felsen ging es auf eine Anhöhe, von der man einen grandiosen Blick auf die Umgebung und die rückwärtige Seite der Insel und das Meer hatte. Faszinierend auch jedes Mal die Vielfalt der Flechten und Moose, die sich wie ein Teppich auf den Felsen befinden. Auch hier luden rotgestrichene Holzhäuser zum Verweilen ein.
Am darauffolgenden Tag ließen wir uns Zeit, wurden doch in der Marina RÖDHAM um 9.00 Uhr mit der Scheibtruhe frische Brötchen ausgeliefert, die wir uns nicht entgehen lassen wollten. Auch war die Umgebung in Nebel eingehüllt, was ein rasches Ablegen verzögerte. Der Nebel blieb und ich hatte als Rudergängerin die Feuertaufe zu bewältigen, unser Boot aus der Marina in Richtung BOMARSUND zu steuern. Mit neuerlich prachtvollem Wetter und blauem Himmel, die Begegnung mit der ersten Fähre und die Fahrt in der Fahrrinne der Fährschifffahrt war es ein großartiges Erlebnis.
BOMARSUND war einst ein Machtsymbol Russlands mit Festungen und Kasernen (von 1830 bis 1854). Verstreute Überreste geben heute noch Zeugnis davon ab. Die angestrebte Bucht gehörte uns neben einem Motorboot fast allein. Die kleinen Quallen machten dem täglichen Schwimmen auch nichts aus und der Spaziergang zum Kiosk sowie Museum rundeten den Aufenthalt ab.
Auf den Spuren der Trolle
Wir segelten weiter und nahmen Kurs auf die Halb-Insel GETA auf. Die Umgebung änderte sich schlagartig, es waren fast keine anderen Boote unterwegs. Die Inseln zeigten sich karg, baumlos und waren Brutplätze für Schwäne. Es war ein besonders schöner Segeltag. Wir brausten bei Sonnenschein mit bis zu 8,9 Knoten Fahrt und 24 kts Wind dahin, befanden uns am frühen Nachmittag am Beginn des Bottnischen Meerbusens und steuerten drei Stunden später eine fjordähnliche Bucht namens DJUPVIKEN an. Eine sehr schöne Bucht, eingesäumt von dichter Bewaldung mit am Buchtende steil aufragender Felsen, wo wir uns bis in den Abendstunden allein aufhielten. Getrübt wurde die Stimmung aber durch ein plötzliches Gebrechen der Steuerbord-Ruder-Anlage, womit ausgerechnet vorm Ankern dieses Ruder nicht mehr steuerbar war. Trotz unermüdlicher Versuche das Ruder wieder in Gang zu bringen, blieb nichts anderes übrig als sich mit dem Gedanken vertraut zu machen, nur mit dem zweiten, dem Backbord-Steuer-Ruder, zu fahren, welches hoffentlich nicht in Mitleidenschaft gezogen wurde. Sicherheitshalber wurde die Notpinne ausgepackt und erklärt.
Der Mix macht es aus: Die Bucht lud nicht nur zum ausgiebigen Schwimmen ein, es „musste“ auch unbedingt ein Landausflug sein. Rasch war somit das Dhingi zur Stelle und eine kleine Abordnung erklomm den Aufstieg des beginnenden Troll Pfades, der kilometerlang auf der Anhöhe zu erforschen ist. Wir streiften durch sehr knorrige Bäume, vorbei an Flechten-Feldern und einem farbenprächtigen Hochmoor und erfreuten uns an der Weite des Waldes und des fernen Meeres.
Die nächste Station wartete aber schon auf uns und wir lichteten den Anker und begaben uns nach KÄRINGSUND; einer Meerenge in Eckerö, mit einem idyllischen Fischerdorf und einem Naturhafen. Etliche Bootshäuser zeugen vom Fischfang, liebevoll dokumentiert im örtlichen Jagd- und Fischereimuseum. Ein sehr hübscher, stimmiger Ort mit einem netten Badebereich, dem obligatorischen Campingplatz und kleinen Café-Restaurants. Nicht umsonst wird diese Szenerie für eine finnische Fernsehserie verwendet.
Åland Inseln good-bye, welcome Schweden
Um die schwedischen Schären flott zu erreichen, war der angekündigte Südwind nicht ideal und wir gingen davon aus, an Schwedens Küste ziemlich nördlich anzukommen. Aber alles funktionierte perfekt und wir erreichten GRISSLEHAMN, einem Fährhafen, von dem man mit der Fähre nach Eckerö fahren kann. Das Hafengebiet ist eine Mischung aus pittoresk und ältlich. Camper parkten ihre Busse direkt an der Hafen-Mole und beobachteten auf Campingsesseln das Geschehen.
Für den Abend hatten wir ein nettes Restaurant vorgesehen. Recherchen diverser Websiten ergaben entweder geschlossene oder nicht ansprechende Möglichkeiten. Nach vormaliger Besichtigung fiel meine Wahl auf das Hotel Havsbaden, einem Komplex mit großzügiger Wellness-Anlage, schicken Zimmern, einer Lobby nach englischem Vorbild und einem exquisiten Restaurant-Interieur. Auch die Speisekarte, die Weinbegleitung und der Service rundeten den schönen Abend ab.
Nach einem neuerlichen nebligen Start in den Morgen, baldigem Sonnenschein und starkem Fährverkehr war unsere letzte Station des Törns die Bucht HÖGMARSÖ. Nach einer sehr engen Einfahrt war Luftanhalten angesagt, befanden wir uns doch in sehr seichtem Gewässer. Wunderschön der Ankerplatz, wo wir trotz Annäherung anderer Boote allein blieben. Rund um uns gab es nur Schilf und dichtbewaldetes Umfeld.
Leider neigte sich der schwedisch-finnische Segel-Trip dem Ende zu und wir fuhren am letzten Tag retour zu unserer Ausgangs-Marina Lidingö. Aufgrund Lenkungsschwierigkeiten mit dem bislang „guten“ Steuer-Ruder ein anstrengender Zieleinlauf. Das Abendessen im Restaurant Quarti in Lidingö wurde ein prima Abschluss des 14-tägigen Segeltörns.
Zusammengefasst: Bavaria 55 Fuss – Skipper Stephan Dorfmeister – großartiges Segelrevier – hervorragende Wetterbedingungen – Hauben-verdächtige Verköstigung mit Koriander-Reis mit Garnelen und Kokos-Gemüse Sauce, Penne Tonno, Kartoffelpüree mit Fleischlaberln, Hühnersalat, Lachs-Platten, Lasagne, Eier Benedict