An die Antarktis zurückzudenken, ist derzeit fast irreal. Es war für mich ein Ausflug, der vor knapp über einem Monat mit großartigen Eindrücken und sehr entspannt endete. Seither hat sich in der Welt vieles verändert.
Vor der Reise wurde ich mehrmals gefragt, ob ich mich speziell vorbereitet habe. Ich habe mich eingelesen, im Internet recherchiert. Das Wichtigste für mich war die Auswahl des Schiffes und die Reisezeit. Preislich günstiger wäre es, wenn man sich ein Schiff mit rund 400 bis 500 Mitreisenden teilen oder auf Komfort und Ausstattung verzichten würde. Meine Wahl fiel auf das 5-Sterne Expeditionsschiff Hanseatic inspiration. Das erst im Oktober vom Stapel gelaufene Schiff beherbergt maximal 199 Passagiere, ist mit der höchsten Eisklasse für Passagierschiffe (PC 6) ausgestattet, was ein enormes Gefühl der Sicherheit versprach.
Unberechenbare Antarktis – Brown Bluff
Nach den ersten wunderbaren, vom Wettergott begünstigten Tagen, verlief unser nächster Tag im Weddell Meer wie die momentane weltweite Stimmung. Es begann traumhaft und endete im Sturm. Die nächste Anlandung am antarktischen Festland war Brown Bluff.
Der Spaziergang durch die Adelie-Pinguin-Kolonie mit rund 20.000 Pinguinen und zig Esels-Pinguinen, war bewegend. Die Jungtiere lernten auf den Eisschollen auf und ab zu klettern und versuchten ihre ersten Schwimmversuche. Die Sonnenstrahlen waren außergewöhnlich stark und viel zu warm für die Antarktis und brachten die Eisberge zum Schmelzen. Hier war das Gebiet weitläufiger, der Strand war etliche Kilometer lang und im Hintergrund erhob sich ein mächtiger über 700 Meter hoher, vollkommen kahler Berg, aus rot-braunem Tuffstein. Diese Szenerie war ungewöhnlich, zumal wir seitlich davon einen Gletscher besteigen konnten, von dem man einen herrlichen Blick auf die Umgebung hatte. Im Laufe des Aufenthaltes veränderte sich allerdings das Wetter, ein starker Wind zog auf und die Antarktis zeigte sich unberechenbar. Eisschollen hinderten die Zodiacs an der Abfahrt. Eines wurde sogar vom Treibeis eingekeilt und blieb stecken. In unserem Zodiac erlebten wir die Überfahrt zu unserem Schiff mit hohem Wellengang und das Andocken ans Schiff sowie das Aussteigen aus dem Schlauchboot geschah unter äußerst schwierigen Bedingungen.
Etwas später war bei erneut blauem Himmel geplant, die Umgebung neuerlich zu erkunden. Aufgrund von Windstärken zwischen 8 bis 9 Beaufort war ein Zodiac-Ausflug aber nicht mehr möglich und das Schiff begab sich in eisfreie Bereiche. Eine Landschaft mit Eisbergen und Eisfelder zog an uns vorbei. Wir hielten nach Pinguinen Ausschau und spotteten einen Seeleoparden.
Windstärken bis zu 95 km/h
Der starke Wind verhinderte auch am nächsten Morgen eine Anlandung. Wir waren mittlerweile an der östlichen Seite der Antarktischen Halbinsel angelangt, wo nicht viele Schiffe hinfahren. Auf unserem Kurs streiften wir Devil Island, umrundeten Vega Island und gelangten zur James-Ross-Insel.
Bis dahin war ich der Ansicht, dass der antarktische Kontinent eine durchgehende Eiswüste ist. Bis 1995 war James-Ross-Island auch durch ein Eisschild mit dem antarktischen Festland verbunden, wurde aber durch dessen Kollaps eine eigenständige Insel, die sich auf der Seite unserer Anlandung wie eine Mondlandschaft entpuppt: braun, eisfrei, felsig und kahl. Interessanterweise auch kahl an Tieren. Einzig einige Weddell-Robben und Skuas waren zu entdecken.
Weddell-Meer – mitten im Packeis
Die Wetterverhältnisse entscheiden auch, ob Landgänge möglich sind oder nicht. Ständig wechselte die Szenerie und wir drangen immer südlicher ins Weddell Meer vor. Tafeleisberge schwammen vorbei, auf Eisschollen waren vereinzelt Pinguine zu entdecken und wir gelangten immer tiefer ins Packeis. Schließlich galt es auszuprobieren, wofür das Schiff gebaut wurde.
Das Weddell Meer ist das größte der rund 14 Randmeere des Südlichen Ozeanes am antarktischen Kontinent. Das Ziel der Reise war die Packeiskante des Prinz-Gustavs-Kanals. Mächtig baute sich das riesige Eisfeld auf, das es zu durchbrechen galt. Bei bestem Wetter beobachteten die Passagiere aufgeregt von jedem Deck aus eine mögliche Vorwärtsbewegung des Schiffes. Kurz steckte das Schiff fest. Nach zwei Anläufen wurde aber das Eis angebrochen und eine Rinne geschaffen und die Hanseatic inspiration konnte sich ihren Weg durch das Packeis bahnen. Ein großartiges Erlebnis! Welches nur getoppt hätte werden können, wenn wir auf der Eisscholle aussteigen hätten können. Dafür war das Eis aber zu dünn bzw. an einigen Stellen löchrig.
Bei 64°06`S erreichten wir den südlichsten Punkt im Weddell-Meer und konnten uns freuen, so weit südlich vorgedrungen zu sein.
Ein Ereignis jagte das Nächste. Plötzlich tauchten auf der Backbord Seite sieben Orcas auf. Gefolgt von einer weiteren Gruppe mit sogar zehn Walen.
Kurs auf die Südshetlandinseln
Der Abschluss der Reise waren die Südshetlandinseln mit Half Moon Bay und Deception Island. Auch hier wieder erlebten wir völlig unterschiedliche Gegebenheiten. Half Moon Island präsentierte sich mit steinigem Strandabschnitt und starkem Wind, dafür aber mit einer Gruppe Pelzrobben, einem Seeleoparden, Eselspinguinen und einer Zügelpinguinkolonie. Deception Island ist ein eingebrochener Vulkan mit einer Caldera, in die ein Schiff durch eine schmale Öffnung im Kraterrand hineinfahren kann. Bei einer kleinen Wanderung zum Vulkankrater wurden wir leider von Wind und Regen begleitet.
Drake Passage mit Interview
Der Rückweg nach Ushuaia über die Drake Passage wurde sinnvoll mit einem weiteren Besuch auf der Brücke und einem Interview mit dem Kapitän verbracht.
Kapitän UIf Wolter, Kapitän in dritter Generation, bringt jahrelange Erfahrung auf unterschiedlichen Schiffen der Hapag Lloyd Flotte mit und war in der Antarktis bereits ca. 15 Mal: „Die Antarktis hat sich auf dieser Reise von der schönsten Seite gezeigt. Wir können glücklich über das Wetter und die Möglichkeiten sein, die uns geboten wurden. Generell hat jedes Fahrtgebiet seine speziellen Eigenarten. Man braucht dazu die richtige Hardware und ein gut ausgebildetes Brückenteam. Für die Antarktis muss außerdem ein Polarkurs absolviert werden.
Es ist ein Privileg, diese unberührte Natur erleben zu können. Man kommt demütig zurück und versteht besser, wie fragil dieses sensible Ökosystem ist und es wichtig ist, es zu erhalten. Es ist auch entscheidend mit Schiffen zu fahren, die mit dem neuesten Stand der Technik ausgestattet sind. Wir befolgen akribisch die vorgegebenen IAATO Regeln.
Für mich persönlich gab es viele glückliche Momente. Ich war begeistert von der Cierva Cove, dem springenden Wal als Willkommensszenario zu Beginn der Reise, was selten vorkommt. Auch Neko Harbour war für mich „good to be back“. Wir hatten auch Glück, dass der kräftige Wind nachließ. Ich freue mich, dass ich den Passagieren dieses großartige Paradies zeigen konnte.“