Riga – Die „grüne Stadt“

Vor Kurzem war der Besuch der ehemaligen Hansestadt Riga längst fällig. Die Stadt war voll von Touristen. Fast das gesamte Jahr über wird heuer das 100-jährige Jubiläum der Unabhängigkeit mit Musik- und Tanzveranstaltungen gefeiert. Während meines Aufenthaltes fand auch ein Jazzfestival statt und Riga präsentierte sich von ihrer schönsten Seite.

Perle des Baltikums: Ein Weltkulturerbe

Die Hauptstadt Lettlands beherbergt rund 700.000 Einwohner, darunter Letten wie auch Russen und Bewohner aus anderen, nördlichen Ländern. Obwohl Lettisch die Amtssprache ist, hört man auf der Straße häufiger Russisch und tatsächlich ist knapp jeder zweite Bewohner Rigas russischstämmig. Gerade einmal 62 Prozent sprechen Lettisch, ganz im Gegensatz zu den ländlichen Gebieten, wie sich am Folgetag herausstellte.

In Riga ist das Gastronomieangebot großzügig ausgebaut und viele Geschäfte und Standbuden haben täglich bis 22 Uhr geöffnet. Mein erster Weg führte mich zum Zentralmarkt, dem größten Markt im Baltikum. Aus den ehemaligen Luftschiffhallen, die zur Kriegszeit als Standort für deutsche Zeppeline genutzt wurden, entstanden fünf große Markthallen: Je eine Halle für Fisch, Fleisch, Gemüse, Käse und Gastronomie. Auch vor den Hallen konnte man die Palette an Köstlichkeiten zahlreicher kleinerer Outdoor-Stände genießen. Unbedingt probieren sollte man auch das Nationalgetränk: Ein Kräuterschnaps, der von den Letten gerne mit Kaffee getrunken wird. Dazu passt hervorragend ein Stück typisch lettische Schokolade – am besten vom heimischen Süßwarenhersteller Laima.

Extrem interessant war die Stadtführung mit einem sehr kundigen Guide. Die Tour startete in der lebendigen Altstadt, setzte sich in der Neustadt von Riga fort und offenbarte mir alle kulturellen und architektonischen Schönheiten. Die beiden Stadtteile sind durch eine weitläufige Parkanlage und einem Kanal voneinander getrennt. Aufgrund der vielen Grünflächen wird Riga auch die „grüne Stadt“ genannt. In der Innenstadt liegen die Häuser dicht aneinander. Unmittelbar daran schließt sich die Neustadt mit den breiten Boulevards an. In der Zeit der Entstehung wurde noch großzügig gebaut, was der Stadt heute zugutekommt. Im Vergleich dazu wirkt die Moskauer Vorstadt leider ziemlich heruntergekommen.

Als UNESCO-Weltkulturerbe steht die Altstadt unter Denkmalschutz und die historischen Bauten sind in sehr gutem Zustand. Besonders beeindruckend ist die architektonische Vielfalt und man kommt aus dem Staunen nicht heraus. Während einmal ein französischer Stil vorherrscht, schließt fast nahtlos der geradlinige, schlichte Bauhaus-Stil an. Es folgen klassizistische Fassaden, mittelalterlich anmutende Gebäude, die an die Prager Altstadt erinnern, und auf vielen Jugendstilhäusern sind mystische Figuren platziert. Die lettische Hauptstadt ist hinsichtlich der Anzahl an Jugendstilbauten weltführend und nicht zuletzt deshalb eine inspirierende architektonische Metropole. Zudem präsentiert Riga auch einige Gebäude im Tudorstil wie die russische Botschaft. Der Dom im romanischen Baustil beherbergt eine der größten Dom-Orgeln der Welt und schließt an den längsten Kreuzgang in Nordeuropa. Die Nationaloper, die leider in den Sommermonaten geschlossen ist, befindet sich in einer hübschen Parkanlage. Zu den bekanntesten lettischen Künstlern zählen der Dirigent Mariss Jansons und die Opernsängerin Elina Garanča.

 

Nicht unbegründet gilt Riga als die alte Hansestadt: Vereinzelt finden sich hier Häuser wieder, die stark an den Hamburger Backstein-Stil erinnern. Zudem war die Stadt jahrzehntelang ein essentieller Standort für die Schwerindustrie der Schifffahrt und den Handel, der teilweise bis nach Afrika reichte.

Zum Abschluss der Tour ging es auf die 65 Meter hohe Aussichtsplattform der Akademie der Wissenschaften, welche im „Zuckerbäckerstil“ – der Sozialistische Klassizismus aus Zeiten Stalins – erbaut wurde. Solch ein Stil spiegelt sich auch in Florida im Biltmore Hotel in Coral Gables und vielfach in Moskau wider.

Auf der einen Seite liegt die Altstadt am Fluss Daugava, auf der anderen Seite grenzt sie an die Parkanlage mit Stadtkanal. Durchquert man diese Parkanlage, um zur Neustadt zu gelangen, passiert man den Bastion Hill. Es ist der höchst gelegene Punkt in Riga – für einen Österreicher jedoch lediglich ein kleiner Hügel, der eine nette Aussicht bietet. Selbst die höchste Erhebung in ganz Lettland, der Gipfel von Gaising, liegt gerade mal 311 Meter über dem Meeresspiegel. Zurück nach Riga: Empfehlenswert ist eine Bootstour auf Stadtkanal, wobei man bedenken sollte, dass die größeren Schiffe nur auf dem Fluss fahren, während die kleineren Boote dank ihrer Größe auch ungehindert die Brücken am Kanal unterfahren und den Passagieren somit eine Rundfahrt um die Altstadt ermöglichen können. Nach dieser Stadttour waren die wichtigsten Sehenswürdigkeiten auch schon besichtigt, deshalb folgte am nächsten Tag ein Ausflug zum Schloss Rundāle und nach Jūrmala.

Schloss Rundāle – Das Versailles des Baltikums

Das Schloss Rundāle liegt rund 80 Kilometer von Riga entfernt. Auf dem Weg dorthin erstrecken sich weite Felder, eine weitläufige Landschaft und dünn besiedeltes Gebiet. Bereits beim Anflug aus dem Flugzeug ist mir aufgefallen, dass Lettland ein ungemein flaches und hügelloses Land ist. Abwechslung bieten die rund 2000 Seen und 700 Flüsse. Nach der Fahrt mit den schier endlos gleichen Landschaftsbildern offenbarte sich das Schloss bei der Ankunft wie ein Gemälde: Es ist von einer großzügigen französischen Gartenanlage mit Alleen und Beeten umgeben und wird zurecht mit Versailles verglichen. Das mit 138 Zimmern ausgestattete Anwesen wurde vom Architekten Francesco Bartolomeo Rastrelli, der unter anderem auch das Winterpalais in St. Petersburg konzipierte, im Rokoko-Stil mit barocken Elementen entworfen. Die Erbauung erfolgte im Auftrag von Herzog Ernst Johann Biron, einem Vertrauten der damaligen Zarin Anna Iwanowna. Da er nach ihrem Tod für 22 Jahre nach Sibirien verbannt wurde, musste auch die Fertigstellung des Gebäudes pausieren. Erst als er zurückkehren konnte, wurden weitere Baumaßnahmen durchgeführt. In den Räumlichen befinden sich Möbel nach Boulle-Technik, flämische Bilder und beeindruckende Deckenmalereien. Fulminant sind der mit goldenen Ornamenten verzierte Thronsaal und der Weiße Saal mit Marmorelementen.

Küstenkurort Jūrmala – Der lange Weg ins Meer

Mein Ausflug führte vom Schloss Rundāle nach Jūrmala. Von Riga aus dauert die Fahrt mit dem Zug lediglich eine halbe Stunde ins Zentrum des schönen Badeortes. Besonders auffällig sind hier die Holzbauten, die teilweise noch gut erhalten, manchmal aber auch schon sehr abgewohnt sind. Im Kontrast dazu mischen sich moderne Neubauten aus Glas und Beton darunter. Für die Wohnhäuser und Hotels sind zum Unterschied zu vielen anderen Städten nur Bäume gefällt worden, die der Erbauung im Weg standen. Jūrmala ist trotz starker Besiedelung nach wie dicht bewaldet.

Der 30 Kilometer lange Strand an der Ostküste ist der größte und wohl auch bekannteste Strand im Baltikum. Schön, wenn auch unpraktisch für manch einen Strandbesucher, sind die fehlenden Sonnenschirme und Liegestühle, wie man sie von italienischen Stränden kennt. Es fand sich allerdings recht schnell ein Schattenplätzchen mit Liegestühlen bei einem nahe gelegenen Beach Club. Von dort aus konnte ich die Radfahrer beobachten, die über den Strand sausten, als wäre der Sand unter ihren Rädern eine Asphaltstraße. Tatsächlich ist der Strand an manchen Stellen sehr hart. Der Weg ins tiefe Wasser ist ein langer. Etliche Meter legt man zurück, bis das Meer zumindest bis zu den Knien reicht. Obwohl sich das Wasser von der Ferne blau schimmernd gab, hatte es in der Nähe eigenartigerweise eine braune Farbe.

Für mich schrieb die Reise nach Riga eine der inspirierendsten Geschichten: Die viel gelobte Perle des Baltikums fasziniert mit einer Vielfalt an architektonischen Bauwerken sowie kleineren und größeren kulturellen Schätzen. Zudem bleibt bei einem Kurzurlaub genügend Zeit, um auch die Umgebung zu genießen.

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